Samstag, 5. Oktober 2013

Griechensehnsucht


... es scheint mir ferner, daß es zum mindesten von Einseitigkeit und Beschränktheit zeugt, wenn der politische Philanthrop alle humane Schönheit und Würde in die prometheisch-emanzipatorische Gebärde verlegt. Ich brauche nur aufzublicken von meinem Tisch, um mein Auge an der Vision eines feuchten Haines zu laben, durch dessen Halbdunkel die lichte Architektur eines Tempels schimmert. Vom Opferstein lodert die Flamme, deren Rauch sich in den Zweigen verliert. Steinplatten, in den sumpfig-geblümten Grund gebettet, führen zu seinen flachen Stufen, und dort knieen, ihr Menschtum feierlich vor dem Heiligen erniedernd, priesterlich verhüllte Gestalten, während andere, aufrecht, in zeremonialer Haltung aus der Richtung des Tempels zum Dienste heranschreiten. 
Wer in diesem Bilde des Schweizers, das ich von jeher wert und mir nahe halte, eine Beleidigung der Menschenwürde erblickte, den dürfte man einen Banausen nennen. Trotzdem ist der politische Philantrop ohne Zweifel verpflichtet, dergleichen darin zu erblicken,  und soviel sei eingeräumt, — daß es ein nur zu schlagendes Beispiel für die Unzuverlässigkeit der Kunst als Mittel des Fortschritts bietet, für ihren verräterischen Hang zur Schönheit schaffenden Widervernunft. 
Offenbar aber ist die Humanität des emanzipatorischen Fortschrittes entweder nicht die wahre oder nicht die ganze Humanität; denn wie sollte ein Werk inhuman genannt werden dürfen, das dem von Frechheit, Schlechtigkeit und Pöbel-Gier gehetzten Blick eine Vision und Traumzuflucht würdevoll-demütigen Menschenanstandes bietet?  
Thomas Mann (1918)

“He has made a number of replicas of his most famous works. The first version of the painting ‘The Holy Grove’ (1882, 105 x 150 cm, oil, canvas) is situated at Basel Art Museum, the second version (‘Der Heilige Hain’, 1886, oil, wood) – in Hamburg Kunsthalle. [... as for the possible third version in Tallinn,]   its typical signature make it possible to believe that it is the author’s own replica.” (Mai Levin, Estonian Art Museum, Tallinn). 

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